Kaviar-Sozialismus und befremdete Genoss_innen
Nachdem zwei Baz-Kommentatoren eine Kampagne gegen die SP angesprochen haben, sollten wir vielleicht einmal einen Blick auf mögliche Inhalte einer solchen werfen. Welche Bilder werden transportiert? An wen sind sie gerichtet und was sollen sie bewirken?
Der Baz-Leserbrief einer lieben Genossin, die bis vor kurzem im Parteivorstand der SP Basel war, hilft weiter. Die SP wird als Partei gezeichnet, die bei allem wegschaut, sobald es um Ausländer geht. Ich weiss nicht, wann genau junge Politikerinnen mundtot gemacht worden sein sollen, als sie den Machismus diverser Männer mit Migrationshintergrund angesprochen hätten. Wie das die Genossin schreibt. Solange bin ich noch nicht in der Partei. Mich würde ja Wunder nehmen, wie man gegen den Machoscheiss ankämpfen kann. Vielleicht erklärt mir die Genossin oder jemand anderes das mal bei einem Bier oder Tee. Ich weiss nur, dass die Migrations-Leute, die sich bei uns engagieren in ihren Communities nicht grade für Machismus stehen.
Eine andere Kommentatorin bezeichnete unsere Fraktionspräsidentin Tanja Soland im gleichen Zusammenhang als Kaviar-Sozialistin. Kaviar-Sozialistin, die nicht weiss, wie es dem Volk wirklich geht. Eine Partei von abgehobenen Elitären aus der classe politique, denen die Sicherheit der einfachen Leute am Arsch vorbeigeht. Dass das Bild nicht stimmt, macht es nicht weniger wirkungsmächtig. Dazu und zum Thema Sicherheit gäbe es viel zu sagen, aber ich will hier noch was anderes aufgreifen.
Man kann ja verstehen, dass die Rechtsbürgerlichen gerne über Sicherheit reden. Damit müssen sie nicht über die anderen Fragen, welche die Leute auch noch bewegen: wie Bankenkrise, Wohndruck, Lohnabbau usw. Mit dem Ausländer- und Sicherheitsthema haben die Rechtsbürgerlichen schon immer bei der historischen Stammwählerschaft der SP gewildert. Durchaus erfolgreich. Nicht nur meine Genossin aus dem Parteivorstand, auch viele SP-Sympis besonders aus dem unterem Mittelstand und Arbeiterschicht waren des Öftern befremdet. Die klassische Schweizer Arbeiterschaft wandte sich zuerst mit dem Aufstieg der Neuen Linken (Frauen, Umwelt usw.) und später mit jenem der Liberalen (Hartz IV, Privatisierungen usw.) immer mehr von der SP ab. Eigentlich schade.
Beim Strassenwahlkampf sagen mir immer wieder Leute Sätze wie diesen: „Wenn die SP sich nicht so viel um Ausländer kümmern würde, dann wäre es die einzige Partei, die es braucht.“ Weil alle wissen, dass sie sich am erfolgreichsten für die Arbeiter einsetzt. Und langsam dämmert den Leuten ja, dass die SVP nicht wirklich die Partei des Mittelstandes ist. In dieser Krise wird schon dem einen oder anderen rechtsbürgerlichen Redaktor und Politiker vor Freude zumindest eine Wimper gezuckt haben, als sie letzte Woche endlich mit der SP über Sicherheit sprechen konnten. Ich halte die vielen Anti-SP-Klicks in den Kommentarspalten für einen Pyrrhus-Sieg. Wir sehen uns bei Philippi wieder, Alter…
Franziska Roth
Natürlich hast du recht, Pascal. Aber manchmal bin ich wirklich etwas am Verzweifeln. Es läuft doch immer gleich, wir haben wichtige, differenzierte Inhalte, machen wir sie öffentlich, kommen rechtsbürgerliche einfache, reduzierte Kommentare dagegen und schon ist Feuer im Dach. Reagieren wir nicht, heisst es wir schweigen es tot, reagieren wir, dann bieten wir den Rechtsbürgerlichen wieder eine Plattform um noch mehr zu dreschen. Was bei dieser „Schlacht“ dann hängen bleibt, sind leider nicht mehr die differenzierten Inhalte sondern die reduzierten und einfachen Kommentare.